Programm
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Frau Scheerer, können Sie uns etwas über Ihren Werdegang erzählen?
Meine theatralische Sozialisation hat eigentlich mangels Babysitter im Bochumer Schauspielhaus stattgefunden: meine Mutter war eine leidenschaftliche Theatergängerin und hat mich in Ermangelung anderweitiger Betreuungsmöglichkeiten kurzerhand mitgenommen. Ich denke, dass in dieser Zeit der Keim gelegt wurde. Wobei mich zunächst eher Bühnenbilder interessiert haben, Räume, in denen eben irgendwelche Phantasiewelten aufgebaut waren …, da war ich 6 oder 7 Jahre alt.
Während der Pubertät verschwand das Thema zunächst wieder von der Bildfläche, kehrte dann aber mit 16/17 Jahren intensiv zurück: ich besuchte neben der Schule Schauspielkurse und von da an war klar, dass ich beruflich in diese Richtung gehen möchte. Mit Anfang 20 habe ich in Berlin mit der Schauspielausbildung begonnen und anschließend mit Kollegen ein eigenes Ensemble gegründet – ich glaube wir wollten das Theater neu erfinden … ziemlich überambitioniert aus heutiger Sicht, aber eine total spannende Zeit, in der wir in Fabrikhallen und Hinterhöfen gespielt haben. Seither habe ich das Glück gehabt, mit vielen verschiedenen Regisseuren in den unterschiedlichsten Zusammenhängen zu arbeiten: am Stadttheater, an Privattheatern und in der ganz freien Szene. Jeder dieser Zusammenhänge bietet ganz eigene Herausforderungen und eigene Möglichkeiten. Ich bin sehr dankbar in dieser Bandbreite unterwegs sein zu dürfen.
Können Sie uns etwas über die Geschichte von „Emmas Glück“ erzählen und was dieses Stück für Sie besonders macht?
Erstmal ist Emma eine sehr eigenwillige Person: sie lebt ganz allein auf dem Schweinehof, wirkt schroff, hält sich Menschen weitgehend vom Hals und bevorzugt die Gesellschaft von Tieren. Und das hat seinen Grund – der Roman von Claudia Schreiber, auf dem das Stück basiert, enthält viele autobiografische Elemente und da gab es wohl nicht viel zu Lachen. Es gibt auch eine Spielfassung mit größerer Personage, aber diese Solo-Fassung ist viel näher am Roman, da es eben, wie im Roman, ausschließlich Emmas Perspektive gibt. Sie erzählt vom Schweineschlachten, ihrer Familie, ihren Einsamkeiten, davon, was ihr beim Überleben geholfen hat und wie sie ihre große Liebe findet, aber ich will nicht zu viel verraten…! In dieser Geschichte sind alle Zutaten enthalten, die die Würze des Lebens ausmachen. „Emmas Glück“ ist in gewisser Weise ein modernes Märchen. Das tolle an dem Stück ist auch die Direktheit der Sprache: Emma wendet sich in der Erzählung immer wieder direkt ans Publikum, die vierte Wand ist offen und sie verhandelt schwere tagespolitische Themen wie Tierhaltung, Sterbehilfe und patriarchale Gewalt mit der schnoddrigen Direktheit einer Bäuerin, das gefällt mir sehr!
Welche Herausforderungen und Freuden bringt die Aufführung eines Stücks wie „Emmas Glück“ mit sich?
Die größte Herausforderung besteht definitiv darin, dass ich ganz allein auf der Bühne bin. Wenn ich hänge, kann mir keine Kollegin, kein Kollege beispringen und mich retten, aus dem Schlamassel muß ich dann selber rausfinden …
Abgesehen vom Text haben wir in dieser Inszenierung einen Raum, also ein Bühnenbild, das maximal auf Imagination setzt: ein mit Planen ausgehängter Kasten, ein Hocker und der Boden voller Äpfel, die durch ihren Duft eine große Sinnlichkeit mit hineinbringen – hier findet alles statt: Schweine schlachten, Kinder verprügeln, Spatzen töten, Autos anzünden, tanzen auf Blumenblüten und Sex in der Hängematte. In diese Welten muß ich die Zuschauer mitnehmen. Wenn es gelingt, haben wir gemeinsam eine turbulente Reise miteinander gemacht, an deren Ende Emma sich selbst ein Stück nähergekommen ist – das ist dann ein großes Glück.
Können Sie uns einen Einblick in Ihren kreativen Prozess geben?
Vielleicht vorab: für alle, die denken „wie kann man sich nur so viel Text merken“ – das Textlernen ist nur die Grundlage. Die eigentliche Arbeit liegt in der Erstellung einer emotionalen Landkarte der Figur, mit dem Verstehen und des Sich-Aneignens ihres Blicks auf die Welt, die sie umgibt. Ihre Motive für das, was sie tut zu ergründen. Daraus ergibt sich eine Körperlichkeit, eine Art zu schauen, zu sprechen …
Man probiert vieles aus, verwirft es, wenn es nicht stimmig erscheint, bis man am Ende eine Auswahl getroffen hat. Dieser Prozess ist aber nach der Premiere nicht abgeschlossen, sondern darf sich auch im Laufe der Vorstellungen weiterentwickeln. Und natürlich macht man das alles nicht alleine im stillen Kämmerlein, sondern im Laufe einer normalerweise etwa
6-wöchigen Probezeit (für Emma hatten wir 4) gemeinsam mit dem Regisseur oder der Regisseurin. Wenn die Zusammenarbeit gut ist, ist es ein wechselseitiges Geben und Nehmen, eine Auseinandersetzung, bei der es auch mal Reibereien geben darf, das kann durchaus fruchtbar sein. Es hilft, wenn man sich kennt und schon so etwas wie eine gemeinsame Arbeitssprache entwickelt hat – was bei „Emma“ definitiv der Fall war, da mich mit Regisseur Dieter Nelle schon etliche sehr schöne Arbeiten verbinden.
Was bedeutet es für Sie, bei der Sommerbühne in Blaubeuren aufzutreten?
Es ist aufregend, wie immer, wenn man an einen neuen Spielort kommt. Ich freue mich riesig, dass die Produktion für die Sommerbühne ausgewählt wurde. Es ist immer speziell, wenn ich dieses Stück in einer ländlicheren Gegend spielen kann, weil ich glaube, dass die Themen, die darin verhandelt werden, den Menschen hier unter Umständen näher sind als in der Stadt.
Haben Sie eine besondere Verbindung zu Blaubeuren oder zur Region?
Beruflich verbindet mich mit der Region vor allem meine Arbeit in der Theaterei Herrlingen mit Edith Ehrhardt, bei der ich anfangs mit Emma gastiert habe und mittlerweile drei wunderbare Produktionen unter ihrer Regie machen durfte, zuletzt „Meine geniale Freundin“ nach den Romanen von Elena Ferrante. Wer gesehen hat, darf sich schon auf Teil II freuen, wir beginnen im Oktober mit den Proben! Darüber hinaus ist die Schwäbische Alb natürlich regelmäßiges Ziel von Familienausflügen – ich weiß nicht, wie oft wir schon am Blautopf und in sämtlichen Höhlen der Gegend waren, es gibt auf der Alb einfach wahnsinnig viel zu entdecken.
Was können die Zuschauer von Ihrer Aufführung „Emmas Glück“ erwarten?
Sie werden mit einer sehr eigenwilligen Person Bekanntschaft machen – und Emma ist wirklich schräg! Sie werden definitiv etwas zu lachen haben, an der ein oder anderen Stelle aber womöglich auch ein Taschentuch bereithalten müssen – das macht den Abend aus, die Geschichte ist voller Leidenschaft und überraschender Wendungen!
Die Fragen stellte Gabi Pörner (Sommerbühne am Blautopf)
Die Produktion war nominiert für den Monica-Bleibtreu-Preis der Hamburger Privattheatertage 2019 und beim Monospektakel
(Festival für Solo-Stücke) in Reutlingen 2019.
Sommerbühne am Blautopf
Sonntag, 14. Juli 2024, 19 Uhr
Theaterei Herrlingen – Emmas GlückHier geht es direkt zum Ticketshop
12.07.2024 – ef
Tourist-Info
07344 / 966990
Es gibt keine Parkmöglichkeit direkt bei der Sommerbühne am Blautopf.
Bitte nutzen Sie die nahe gelegenen Parkplätze im Dodelweg in Richtung Kloster/Freibad. Von dort gelangen Sie zu Fuß in den Klosterhof.